KAMINSKY BLOG Wrist Watch Reviews - im Gespräch mit Mia-Phyllis und Wilfried Liefer
Mia-Phyllis und Wilfried Liefer im Atelier
Wer seid ihr, könnt ihr euch bitte noch einmal kurz vorstellen ?
Wilfried : Wir sind Mia-Phyllis und Wilfried Liefer, Tochter und Vater, 32 und 62 Jahre. Mia-Phyllis ist Spezialistin für Marketing und Kommunikation, Musikerin, neugierig, weltoffen...
Mia-Phyllis : Mein Vater, Wilfried, ist interessierter Unternehmer, immer dabei Neues zu versuchen, planerisch und visionär.
Seit 2018 sind wir beide auch Geschäftspartner.
Wann und wie begann eure Faszination für Uhren?
Wilfried: Die erste Uhr, an die ich mich bewusst erinnere, ist die Uhr meines Vaters. Eine Handaufzugsuhr mit schwarzem Lederband und silbernem Zifferblatt. Das war Anfang der 1960er. Meine wirkliche Faszination für Uhren startete mit dem Beginn meiner professionellen Tätigkeit als Juwelier. Aus der beruflichen Beschäftigung wurde dann bald auch eine persönliche Begeisterung. Mein besonderes Interesse galt damals den nicht so etablierten, jungen, mutigen kleinen Marken. In den 1990er Jahren versuchten neue Marken wie Nomos, Jörg Schauer, Chronoswiss, Alain Silberstein, Jacques Etoile und noch viele andere Newcomer ihren Platz am Markt zu finden. Mich haben immer wieder der Mut, die Kreativität, das Neue und die Begeisterung an ihnen beeindruckt. In Berlin waren wir für fast jede dieser Marken einer der ersten Verkaufspunkte. Durch den Kontakt mit den mutigen Uhrenbauern ist damals zum ersten Mal bei mir die Idee aufgetaucht, eine eigene Uhr zu gestalten. Allerdings ist es bei einigen Handskizzen geblieben.
Mia-Phyllis: Ich bin quasi mit Uhren aufgewachsen, da mein Kinderzimmer direkt über dem Juweliergeschäft war. An der Wand hing eine wunderschöne kleine Kuckucksuhr. Was kann man da erwarten…
Was macht für euch eine gute Armbanduhr aus?
M.-Ph.: Das ist nicht einfach zu sagen. Was macht einen ergreifenden Roman aus, ein schmackhaftes Essen, einen berührenden Film, eine aromatische Tasse Kaffee? Es müssen so viele Details zusammen kommen, miteinander harmonieren, zu einer Einheit werden, damit etwas Besonderes entstehen kann.
W.: Vor allem aber darf eine Uhr nicht langweilig, einfallslos, 08/15 sein. Sie sollte meine Aufmerksamkeit wecken durch liebevoll gemachte Details, durch eine erkennbare Grundidee. Das Erscheinungsbild sollte unbedingt in sich stimmig sein und sie muss eine Eigenständigkeit haben, ein Selbstverständnis. Wie in der Kunst, der Musik und der Architektur gibt es auch für mich bei Uhren nicht den „einen guten Stil“. Ein barockes Gemälde kann mich genauso beeindrucken wie ein Kandinsky, ein stimmiges Stück Volksmusik berührt mich ebenso tief wie eine Ballade von Leonard Cohen. Genauso wie eine Jörg Schauer Quarada neben einer Minerva Cal 48 und einer Omega Art in meiner Sammlung ist.
M.-Ph.: Was mir gar nicht gefällt, sind diese fast Rolex Diver, fast Max Bill, fast Nomos Uhren – Copy-and-paste, es gibt nichts Langweiligeres. Natürlich muss die Qualität der verbauten Materialien stimmen und wertig sein. Wichtig ist mir auch die Haptik, die Harmonie von Gewicht und Verarbeitungsqualität in der Hand zu spüren. Eine gute Uhr sollte mich dazu anregen, mir die Zeit zu nehmen, sie immer wieder zu betrachten.
W.: Genau, wenn ich sie in der Hand habe und anschaue, sollte dieses Gefühl von Wärme, Freude und Zufriedenheit spürbar sein. Dieses: Ja, das gefällt mir immer noch! Auch nach mehrmaligem Betrachten sollten die Feinheiten und das Zusammenspiel der Komponenten noch mein Interesse wecken.
Welche Uhren besitzt ihr privat? Könnt ihr zu einer dieser Uhren eine interessante Geschichte erzählen?
W.: Das sind schon einige: Angefangen von einer kleinen Kollektion alter Handaufzüge aus den 1950ern und 1960ern über ein paar erste elektromechanische Modelle aus der Zeit vor den Quarzwerken bis hin zu modernen Automatikuhren wie z. B. Jörg Schauer, Minerva, Jacques Etoile, Nomos, Alain Silberstein, Tag Heuer, Omega oder einer schönen alten Rolex. Daneben gibt es noch was von Bruno Söhnle und sogar eine Dugena. Und natürlich einen Karton voll mit Swatch-Uhren jeglicher Art.
M.-Ph.: Na ja, da ist die Konfirmationsuhr aus Edelmetall von den Großeltern und einige Swatch aus meiner Jugend. Im Moment trage ich gern meine Sinn Automatik oder einen von den FineWatchesBerlin-Prototypen, tatsächliche Handarbeit und ein echtes Unikat.
W.: Meine erste Chronoswiss fällt mir da ein. Ein Weihnachtsgeschenk in den späten 1980ern. Eine für heutige Verhältnisse winzige Uhr: 34 mm Durchmesser, Handaufzugswerk mit Vollkalender. Durchaus damals noch eine gängige Größe für eine Männeruhr. Chronoswiss hat zu der Zeit noch alte überarbeitete Werke verbaut. Außer der Zwiebelkrone erinnerte noch nichts an die später so erfolgreiche Régulateur-Serie. Den Vertrieb hatte ein Herr Müller, ein kleiner Aktenkoffer reichte für die gesamte Kollektion, seine Haupteinnahmequelle war der Verkauf von wunderschönen Wanduhren der Firma Sattler. Eine sehr schöne Erinnerung an eine aufregende Zeit.
Ein Teil von Wilfried Liefers Uhrensammlung
Wie sieht euer idealer Kunde aus?
W.: Ich denke, unser Kunde ist vielseitig interessiert. Er hat ein gutes, geregeltes Einkommen und eine mittlere bis hohe Schulbildung. Zu einem sehr großen Teil männlich. Er ist gut strukturiert, liebt klare Formen, Übersichtlichkeit, gleichzeitig mag er gelungene Details. Hat es nicht nötig sich durch protzige Äußerlichkeiten oder Marken Präsentation zu profilieren. Legt Wert auf gute Qualität und saubere Verarbeitung. Liebt die Funktionalität. Hat großes Interesse am Neuen, ist innovativen Ideen gegenüber sehr offen. Wenn ihn etwas begeistert, geht er dafür, kann fast missionarisch sein. Er hält gern und lange an Bewährtem fest. Er ist sehr loyal, Technik-interessiert, hat Interesse an Kunst, Musik, Kultur. Muss sich nicht lautstark beweisen, arbeitet mehr mit Understatement. Manchmal etwas elitär. Grenzt sich bewusst, aber dezent vom Mainstream ab. Die Meinung der Vielen ist ihm nicht so wichtig, er sucht mehr die Bestätigung und Anerkennung von Gleichen. Hat eher ein höheres Selbstbewusstsein / Selbstverständnis, ist zielorientiert und fokussiert…
M.-Ph.: Altersmäßig lässt sich der Kundenkreis nicht eingrenzen. Unsere ersten Kaufkunden waren Mitte zwanzig, Ende fünfzig und siebzig. Der Sohn von unserem Grafiker ist 13 Jahre alt und völlig begeistert von den Uhren, er trägt mittlerweile selbst eine. Und der Patensohn von meinem Vater ist 16 und postet Fotos auf Facebook und Instagram von unseren Uhren zusammen mit seinen neuesten Sneakern.
Welche Interessen habt ihr neben dem Uhrengeschäft?
W.: Das ist ein weites Feld. Ich bin sportlich sehr aktiv: Laufen, Radfahren, Kraftsport… Musik begeistert mich schon immer, egal welche Richtung, sie muss mich nur packen. Lesen. Seit Neuestem auch wieder ein Garten. Ich verbringe viel Zeit mit meiner Frau, mit ihr zusammen gebe ich auch Workshops für Paare. Meine beiden Enkeltöchter öffnen mein Herz. Einmal wöchentlich unterrichte ich dann auch noch Yoga für Männer, praktiziere täglich seit vielen Jahren selbst. Und eine Trennung zwischen meinen beruflichen Tätigkeiten und meinen sonstigen Interessen gibt es nicht so wirklich, das fließt alles in- und miteinander.
M.-Ph.: Da kann ich mich nur anschließen: es ist ein fließender Übergang zwischen Arbeit und privaten Interessen. Und auch ich unterrichte einmal die Woche Yoga, praktiziere auch schon eine Weile. Ich habe vor ein paar Jahren mit einigen Freunden einen Kulturverein gegründet, in dem ich sehr aktiv bin: sowohl musikalisch als auch an der Nähmaschine und in sämtlichen organisatorischen Angelegenheiten.
Wo findet ihr Inspiration für eure Arbeit?
M.-Ph.: Anregungen und Ideen sind fast überall zu finden, solange man offen und interessiert bleibt. Ich bin durch meine künstlerische Tätigkeit mit sehr vielen Kulturschaffenden in Kontakt. In den Räumen der KreativMolkereiSpandau bin ich täglich umgeben von Musikern unterschiedlichster Stilrichtungen, Zeichnern, Malern, Bildhauern und Modedesignern. Außerdem habe ich durch meine Tätigkeit in einem großen Juweliergeschäft Kontakt sowohl zum Endverbraucher wie auch zu vielen Uhren- und Schmuckherstellern.
W.: Da ich ebenfalls lange in der Uhren- und Schmuckbranche tätig war, auch als Goldschmied eigene Schmuckserien entworfen und gefertigt habe, ist dieser Draht nie abgerissen. Das heißt, ich bin dort auf dem Laufenden. Vor allem bin ich sehr viel im Internet unterwegs und schaue, was die Newcomer, Microbrands und die Design-orientierten Marken so treiben. Inspirationen bekomme ich auch immer wieder durch die Beschäftigung mit dem Bauhaus und dessen Produkten. Generell fasziniert mich Gestaltung und Design in jeder Form. Ein gelungenes Motorrad oder Fahrrad begeistert mich genauso wie eine schöne Lampe oder ein Tiny House. Irgendwie ziehen gut gestaltete Dinge mein Auge einfach an.
M.-Ph.: Ja, ob Kino, Netflix oder in der Natur und im Museum – Anregungen gibt es überall…
Wilfried und Mia-Phyllis Liefer vor ihrem Atelier
Wo seht ihr eure Marke in der Zukunft?
W.: In den ersten ein, zwei Jahren ist es wichtig, dass wir uns am Markt etablieren. Wir werden uns intensiv um unser Stammklientel kümmern und dann nach und nach schauen, in welchen Bereichen wir expandieren möchten.
M.-Ph.: Wir werden und wollen kein Big Player oder eine Massenmarke werden. Unser Fokus ist und bleibt es, schöne Uhren für Designliebhaber zu kreieren.
W.: Ich gehe davon aus, dass die Marke von innen heraus wachsen wird. Was ich damit sagen will, ist, dass unser „idealer Kunde“ in seinem persönlichen, beruflichen, kulturellen Umfeld langsam aber stetig für die Markenbekanntheit sorgen wird. Wir haben schon ganz am Anfang die Erfahrung gemacht, dass Menschen, denen unser Konzept und unser Produkt gefallen, von sich aus bereit sind, sehr viel für uns in Bewegung zu setzen.
Sind weitere Uhrenmodelle geplant?
W.: Neue Modell sind tatsächlich schon komplett fertig geplant. Als nächstes werden wir wohl ein oder zwei weitere Zifferblattvarianten der TEUFELSBERG-Reihe bringen. Eventuell auch noch eine elegantere Version, mal schauen, wie der Verkauf sich entwickelt.
M.-Ph.: Grundsätzlich werden wir die TEUFELSBERG-Reihe als Basiskollektion um weitere eigenständige Linien ergänzen. Die Ideen gehen in Richtung einer Uhr mit einem etwas kleineren Durchmesser und vielleicht auch einer richtig kleinen Damen- oder Unisex-Uhr.
W.: Wir spielen auch mit dem Gedanken von Sondermodellen, limitierten oder nummerierten Uhren. Aber zuerst liegt der Fokus darauf, FWB am Markt bekannt zu machen.
Was war das Schwierigste beim Aufbau eurer Uhrenmarke?
W.: Für mich persönlich begann die Herausforderung damit, das Produkt auf dem Markt bekannt zu machen. Fast alles davor, obwohl es auch da diverse Herausforderungen gab, war mehr ein Fließen, eins ergab sich aus dem anderen. Aber in dem Moment, als die Uhren tatsächlich im Versandlager angekommen waren, war es plötzlich auch sichtbar klar: Es gibt kein Zurück! Die Uhren sind Wirklichkeit geworden.
M.-Ph.: Ja, das stimmt, es ist eine echte Herausforderung, eine neue Marke am Markt zu positionieren. Obwohl es natürlich der Traum jedes Marketers ist, von Anfang an dabei zu sein, wenn eine neue Marke entsteht. Ganz besonders, wenn man auch bei der Produktgestaltung eingebunden ist. Und nicht zu vergessen, dass es auch mein eigenes „Baby“ ist. Ich glaube, auch hier haben wir gute Vorarbeit geleistet: die Rückmeldungen von den Kunden, der Presse und auch von den Fachleuten sind sehr ermutigend.
Was würdet ihr jemanden mit auf den Weg geben, der plant seine eigene Uhrenmarke an den Markt zu bringen?
W.: Es kommt immer darauf an, was mit der Marke beabsichtigt ist. Wichtig ist auf jeden Fall, sich viel Zeit für das Gesamtkonzept zu nehmen, genügend finanzielle und zeitliche Puffer einzuplanen. Und man sollte bereit sein, eventuell alles wieder über den Haufen zu werfen.
M.-Ph.: Unerlässlich ist es meiner Meinung nach, sich für jeden Schritt Unterstützung und Hilfe von Experten zu holen. Manchmal verrennt man sich in seiner eigenen Gedankenwelt, da braucht es unbedingt Feedback von Fachleuten. Andererseits muss man auch da vorsichtig bei der Auswahl sein, denn auch Fachleute verfolgen ein Eigeninteresse.
W.: Neben guter Planung ist es für mich persönlich aber auch unerlässlich, in mich hinein zu horchen, mein Bauchgefühl zu Wort kommen zu lassen. Der Plan, die Idee kann noch so gut sein, wenn das Gefühl nicht mitgeht, wird es schwierig.
Vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg.