Och nee, nicht schon wieder eine Bauhaus-Uhr!? Uhrenmarken mit minimalistischem Design sind (auf der Erfolgswelle von Daniel Wellington schwimmend) in den letzten Jahren nur so aus dem Boden geschossen, das ist sicherlich nicht abzustreiten. FineWatchesBerlin-Inhaber Wilfried Liefer und seine Tochter Mia machen mit ihrem allerersten Modell TEUFELSBERG aber doch einiges anders als viele andere Neueinsteiger-Bauhaus-Marken. Was genau, zeige ich euch in diesem Test…

FWB FineWatchesBerlin Erfahrungen Test

Eckdaten zur Fine Watches Berlin TEUFELSBERG by W. Liefer:

  • Saphirglas (Oberseite)
  • Glasboden verschraubt mit Saphirglas
  • Double-Layer Zifferblatt mit eingelassener kleiner Sekunde und applizierten Indizes
  • dekoriertes Miyota 8218 Automatikwerk mit graviertem Rotor und gebläuten Werkschrauben
  • Gehäuse aus Edelstahl mit 40,5 mm Durchmesser, Höhe 11 mm
  • Braunes Lederband 20 mm Bandanstoß mit Schnellwechselsystem / ein schwarzes Wechselband ist kostenlos im Lieferumfang enthalten
  • Wasserdichtigkeit 50 Meter / 5 bar (spritzwassergeschützt)
  • Box aus Bambusholz mit Magnetverschluss
  • erhältlich in drei Varianten
  • UVP: 698€ (Preis beinhaltet eine Spende in Höhe von 50€ an das Projekt „Hands with Hands“ in Nepal)

Kooperation

Bauhaus Uhr Berlin Fine Watches

„Minimalist Watch Brand Disrupting the Watch Industry“ – so läuft es normalerweise ab

Ihr glaubt gar nicht wie oft ich E-Mails von neu aus dem Boden gestampften Marken mit minimalistischem Design kriege, bei denen man schon bei den unpersönlichen Review-Anfragen herauslesen kann, dass nur ein paar Jungspunde, die sich noch nie wirklich mit Uhren beschäftigt haben, einen Stückchen vom Erfolg der Daniel Wellingtons dieser Welt abhaben wollen – offenbar kann man als Anhängsel dieser Marke immer noch genug Geld verdienen. Leidenschaft und Liebe zu Uhren =  Error 404 not found.

Einmal wurde ich wegen eines Tests angeschrieben mit dem Hinweis auf die 18-monatige Entwicklungszeit der Uhr. Mein erster Gedanke: „Hui, da hat sich aber jemand Mühe gegeben!“. Beim kurzen Ansurfen der Website kam dann aber schneller die Ernüchterung als ich augenrollend „minimalst watch brand disrupting the watch industry“ murmeln konnte: 12 Striche, 2 Zeiger und der zweiteilige englische Markenname – mehr war auch bei dieser Luftnummer nicht zu finden.

Hier ein kleiner Auszug aus einer dieser Anfragen, mit dem man problemlos Bullshit-Bingo spielen könnte:

„[…] während wir mit unserem Uhrenlabel […] passioniert das Ziel verfolgen Damen und Herren dieser Welt stilbewusst mit Zeitmessern auszustatten, die maßgeblich für einen kosmopolitischen Lebensstil und Abenteuerlust stehen, sind wir auf Deinen Uhrenblog aufmerksam geworden. Namensgeber und Inspirationsquelle unseres Uhrenlabels ist ein englischer Uhrmacher, Abenteurer und Geschäftsmann  […] Ein Globetrotter und Kosmopolit, der Grundlage unserer gesamten Unternehmensphilosophie ist und durch dessen Geschichte Freiheit, Unabhängigkeit und Selbstbestimmung zentrale Werte unseres jungen Start-Ups wurden. Unsere Linien [… ] richten sich an weltmännische, freiheitsliebende, abenteuerhungrige, kosmopolitische Frauen und Männer. Aus diesem Grund gilt die Geschichte unseres Namensgebers […] als zentrale Säule unseres Labels.“

Solche Uhren aus dem China-Baukasten werden immer (mal mehr, mal weniger lieblos) mit demselben drumherum beworben:

  • Quarzer für um die 200€
  • Saphirglas (!!!11) – ganz wichtig, klingt schließlich nach etwas ganz Besonderem und wertvollen Edelsteinen
  • Fokus auf Lifestyle und eine fantasierte Geschichte
  • Zweiteiliger Marken-Name – optimalerweise englisch oder skandinavisch angehaucht (IKEA ist ja schließlich auch mit schlichtem Design erfolgreich!)

Und ganz wichtig: Man vergesse nicht zu betonen, dass natürlich jede neue minimalistische Marke die Uhrenindustrie revolutioniert, da Distributoren umgangen werden und direkt an den Kunden verkauft wird.

Wer des Englischen mächtig ist, dem empfehle ich einen Blick in diese satirische Zusammenfassung

Dass es auch merkbar anders geht, zeigt das Beispiel FineWatchesBerlin by W. Liefer…

FineWatchesBerlin Teufelsberg FWB Uhr Bauhaus Test

 

Bauhaus aus Berlin: Was macht FineWatchesBerlin by W. Liefer anders?

Nun, das Design von FineWatchesBerlin ist auf den ersten Blick nichts weltbewegend Neues: Das erste Modell aus der Feder des Gründers Wilfried Liefer mit dem Namen „TEUFELSBERG“ (benannt nach der gleichnamigen Berliner Sehenswürdigkeit) ist designtechnisch schlicht gehalten und bewegt sich im Bauhaus-Dunstkreis von Junghans und NOMOS Glashütte. Auf den zweiten Blickt entdeckt man aber die vielen liebevollen Details – hierzu gleich mehr. Kommen wir zunächst zum Kopf hinter FineWatchesBerlin.

Nach meinem überaus freundlichen Kontakt mit Wilfried Liefer hatte ich schnell das Gefühl, dass er etwas Nachhaltiges aufbauen will – mit viel Leidenschaft und Begeisterung. Sympathisch-bodenständige Interviews von Wilfried Liefer, zusammen mit seiner Tochter Mia, die ihn tatkräftig unterstützt, bestätigten meinen ersten Eindruck.

Mia Wilfried Fine Watches Berlin Test

In den Interviews macht das Berliner Vater-Tochter-Gespann gar keinen Hehl es darum in Fernost produzieren zu lassen: Die beiden gehen ganz ehrlich mit der Herstellung in China um. Es ist zwar ein offenes Geheimnis, dass sogar Swiss Made-Uhren oftmals zu einem großen Teil aus Komponenten, die in Fernost produziert werden, bestehen – offen aussprechen will das aber in der Regel niemand. Von daher: Daumen hoch für die offene Kommunikation!

Familie Liefer gibt auch ein paar Einblicke in die Zusammenarbeit mit den chinesischen Produktionsstätten: „Ich hatte am Anfang Angst, dass man nicht weiß, was da passiert“, sagt Wilfried im Interview mit der Berliner Morgenpost, „aber wir haben viel Einblick.“ Der Inhaber und seine Tochter erhalten regelmäßig Fotos und Videos – die Zusammenarbeit mit den acht Fabriken, die an der Herstellung beteiligt sind, laufe gut. „Man hat nicht das Gefühl, das passiert am anderen Ende der Welt“, meint Mia Liefer.

Mia Wilfried Fine Watches Berlin China

Mia Wilfried Fine Watches Berlin Produktion China

FineWatchesBerlin: Bauhaus-Uhr TEUFELSBERG im Test

Betrachtet man das Einstiegsmodell „TEUFELSBERG“ etwas genauer, wird schnell klar, dass Familie Liefer sehr darauf bedacht ist ihrer Uhrenmarke eine eigene Identität zu geben: Designtechnisch gibt es einige eigenständige Elemente und liebevolle Details zu entdecken, zum Beispiel die schicken, gebläuten Schrauben bei den Hörnern. Diese sind allerdings rein dekorativ, da der Bandwechsel über Federstege mit Schnellwechselsystem funktioniert (hierzu später mehr).

Bauhaus Uhr gebläute Schrauben Hörner

Auch dem Zifferblatt hat Wilfried Liefer designtechnisch viel Liebe gewidmet: Es ist nicht einfach nur platt und bedruckt wie bei vielen günstigeren minimalistischen Bauhaus-Quarzern, sondern wirkt durch die tiefer gelegte kleine Sekunde und die gebläuten, applizierten Indizes bzw. Ziffern schön plastisch und dadurch sehr hochwertig. Auch der Blauton der Indizes mit den verschiedenen Nuancen (je nach Lichteinfall) weiß zu gefallen.

Uhrenhersteller Berlin

FineWatchesBerlin Teufelsberg Designed in Germany

FineWatchesBerlin Teufelsberg Uhr

Beim genauen Betrachten des Zifferblattes zeigt sich, dass sogar der Fine Watches Berlin-Markenschriftzug extrem fein und plastisch umgesetzt ist – toll!

FineWatchesBerlin Uhren Test

Schön: das Design der kleinen Sekunde wird auf der Krone der FWB TEUFELSBERG in Form eines eingelassenen Logos fortgeführt:

FWB Uhr Krone

Beim Innenleben setzen die Berliner auf ein japanisches Miyota 8218 Automatikwerk mit kleiner Sekunde. „700 Euro für ein Miyota?“ entlockte es auf meinem Instagram-Account einem meiner Follower. Tatsächlich musste auch ich erst mal schlucken. Auf der einen Seite spricht grundsätzlich nichts gegen ein Miyota aus der 8er Baureihe: Es ist ein bewährtes und als robust geltendes Automatikwerk, welches ich gegenüber einem 08/15-Quarz-Werk jederzeit vorziehen würde. Auf der anderen Seite hätte es in Anbetracht des Preises der FWB TEUFELSBERG gerne auch ein moderneres Automatikwerk sein dürfen: das Miyota 9015 oder aktuelle ETA- bzw. Sellita-Werke beispielsweise kommen mit einem Sekundenstopp bei gezogener Krone und einer höheren Frequenz von 28800 statt 21600 bph und damit auch einem sauberer schleichenden Sekundenzeiger.

Die schicken Werksdekorationen in der FineWatchesBerlin TEUFELSBERG lassen diesen Kritikpunkt allerdings zumindest ein Stück weit vergessen: Die gebläuten Schrauben und die tiefe Gravur des Rotors sind alles andere als eine Selbstverständlichkeit in dieser Preisklasse.

Miyota 8218 FineWatchesBerlin Automatik

Miyota gibt beim 8218 hinsichtlich Ganggenauigkeit einen Standardwert von -20 bis +40 Sekunden pro Tag an. Mit anderen Worten sind alle Miyota 8218 Automatikwerke, die im Bereich -20 bis +40 Sekunden pro Tag laufen, wenn sie an die Uhrenhersteller verschickt werden, offiziell im Rahmen.

Der Knackpunkt: Viele Uhrenhersteller verbauen (aus Kostengründen) Miyota-Werke aus der 8er Baureihe ohne weitere Regulierung, weshalb auch Uhren mit recht großer Abweichung in den Verkauf kommen können (denn wie gesagt: Laut Miyota-Spezifikation wären ja sogar +40 Sekunden noch in einem „akzeptablen“ Rahmen). Grade bei günstigen Automatikuhren für um die 200€ ist das der Fall. Und wenn man als Kunde mal „Pech“ hat, gelangt man an eine Uhr mit großer Gangabweichung, was verständlicherweise für Unzufriedenheit sorgen kann.

Das Miyota 8218 in der FineWatchesBerlin TEUFELSBERG, gemessen mit dem Frederique Constant Analytics Clip, läuft mit +3,1 Sekunden pro Tag aber in einem exquisiten Bereich – viel besser geht es nicht! Auf Nachfrage bei FWB bestätigte man mir, dass im Rahmen der Werksdekorationen auch eine Regulierung vorgenommen wird.

Zeitwaage Miyota 8218

Das rundum polierte Gehäuse der Fine Watches Berlin TEUFELSBERG ist hervorragend verarbeitet und mit einer Größe von 40,5 mm Durchmesser einen Tick größer als Bauhaus-Alternativen anderer Hersteller. Dennoch ist das Modell auch gut für kleinere Handgelenke bzw. die Damenwelt geeignet – zu schmal sollte das Handgelenk aber auch nicht sein: Die Höhe des Gehäuses beträgt 11 mm und wirkt dadurch an allzu zierlichen Ärmchen möglicherweise doch etwas zu wuchtig (hierzu gleich mehr).

Das Uhren-Gehäuse ist wasserdicht bis zu 5 Meter (50 bar)  – das entspricht Spritzwasserschutz – weshalb die TEUFELSBERG nicht für einen Sprung ins kühle Nass von Havel oder Spree geeignet ist. Das ist für diesen Typ Uhr aber durchaus normal und geht daher absolut in Ordnung.

Nur einen Kritikpunkt habe ich: die seitliche Gehäuse-Gravur hätte meiner Meinung nach nicht sein müssen – solche „Bandenwerbung“ spaltet oftmals die Gemüter und sollte im Zweifelsfall lieber dem Rotstift zum Opfer fallen. Mich persönlich stört’s nicht, aber ich kann auch Uhreninteressierte verstehen, denen solch ein Schriftzug dann doch etwas zu viel ist.

FineWatchesBerlin Teufelsberg Uhren Test